Hier findet ihr die Leseprobe zu meinem Roman #queer. Weiter unten könnt ihr sie auch als PDF runterladen! Viel Spaß!
Kapitel 1
»Wow!« Beeindruckt stieg Moritz aus dem Zug. Der Hamburger Hauptbahnhof war schon eine imposante Erscheinung, fand er. Die große Gewölbehalle, die vielen Menschen, die sich zielstrebig ihren Weg bahnten, das alles hatte Weltstadt-Flair. Langsam ging er zur Rolltreppe und fuhr nach oben, während er weiter das bunte Treiben um sich herum beobachtete. Plötzlich vibrierte es in seiner Hosentasche – eine Nachricht von Lars!
Na, schon angekommen?
Gerade eben. Jetzt erst mal ins Hotel. In einer Stunde geht’s los!!
Moritz schickte die Antwort ab und ging durch den Bahnhof. Lars‘ Nachricht freute ihn. Moritz war froh, der Einladung zum heutigen MyTube-Event gefolgt zu sein. So hatte er Gelegenheit, Lars, wenn auch nur für ein paar Stunden, persönlich zu treffen. Zum allerersten Mal. Moritz‘ Magen zog sich freudig zusammen. Grinsend ging er zum Taxistand.
Findest du allein hin, oder soll ich dich abholen?
Unwillkürlich musste Moritz schon wieder lächeln. Das war typisch Lars. Er kümmerte sich. Immer. Er wusste, dass Moritz zum ersten Mal in Hamburg war und sich garantiert nicht auskannte. Er würde ihn sogar am Hotel abholen. Es gefiel Moritz, dass Lars so war, aber sein Hotel lag nur zehn Gehminuten von der Location entfernt, in der das MyTube-Event stattfinden sollte. Es wäre albern, sich für das kurze Stück abholen zu lassen. Also schrieb er Lars, dass er allein hingehen würde und sie sich dort träfen.
Alles klar. Ich bring eine rote Rose mit, damit du mich auch erkennst! 😉
Wie meinte er das denn? Rote Rose? Verwirrt schüttelte Moritz den Kopf. Manchmal machte Lars so merkwürdige Andeutungen, dass Moritz völlig durcheinander war. Während er ins Taxi zum Hotel stieg, dachte er an das eine Mal vor einigen Wochen bei einem ihrer Telefonate zurück.
***
Die beiden hatten sich zum Drehen verabredet und quatschten vorher noch ein wenig über Gott und die Welt. Das taten sie häufig. Eigentlich immer, wenn sie gemeinsam aufzeichneten. Und dazwischen auch, mittlerweile telefonierten sie fast jeden Tag via Skope.
Beim Dreh dann bekam Moritz – mal wieder – blutrote Wangen. Das passierte ihm ständig: Wenn er nervös wurde, sich schämte oder aufgeregt war. Es war ihm so schon peinlich genug, doch durch Lars‘ Kommentare wurde es meist noch schlimmer. Leise drang an jenem Tag Lars‘ Lachen durch die Kopfhörer an sein Ohr.
»Du bist echt süß, wenn du so rot wirst«, erklärte er und in seiner Stimme klang das verschmitzte Lächeln durch. Moritz gab sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn dieser Kommentar verwirrte. Er konnte nicht sagen, ob er noch röter wurde.
»Äh, danke?«, antwortete er skeptisch, als er sich wieder gefangen hatte.
»Da nicht für.« Lars schien es einen Heidenspaß zu machen, ihn aus der Fassung zu bringen, deshalb tat er es bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
***
»Junger Mann? Ich verdien‘ zwar auch was, wenn wir hier nur rumstehen, aber das bringt Ihnen doch nix!«, riss ihn nun die Stimme des Taxifahrers aus den Gedanken. »Ach, Entschuldigung. Ich war ganz in Gedanken … Was macht das?«, erwiderte Moritz verstört und zog sein Portemonnaie hervor.
»Das sieht man wohl. Werden Sie dabei immer so rot? Zwölf fuffzich.«
Wortlos zog Moritz das Geld hervor und verließ so schnell wie möglich das Taxi. Jetzt wurde er sogar schon beim Gedanken an peinliche Situationen rot … Na prima.
Kurz darauf traf Moritz an der alten Fabrikhalle ein. Das gute Wetter, das ihn schon den ganzen Tag begleitete, hatte sich gehalten, sodass er seine Jacke im Hotel gelassen hatte. Schon von Weitem konnte er Lars sehen, der am hinteren Eingang lehnte. Hier war es ruhig, der Eingang für die Fans war auf der anderen Seite des Gebäudes. Lars sah lässig aus, hatte eine Hand in der Hosentasche und die andere zum Gruß erhoben. Er grinste breit, als Moritz näherkam. Moritz beschleunigte seinen Schritt und wischte sich seine schweißnasse Handfläche an der Innenseite seiner Hosentasche ab.
»Hey, auch schon da? Alles klar?«, fragte Lars, schlug in Moritz‘ ausgestreckte Hand ein und drückte ihn mit dem anderen Arm kurz an sich. Regelrecht überrumpelt atmete Moritz heftig ein. Hm, Lars roch gut. Irgendwie frisch und doch männlich, auf eine angenehme Art. Moritz schüttelte kurz den Kopf. Was dachte er denn da? Sowas konnte er doch nicht von seinem Kumpel denken!
»Nicht? Was ist denn? Kakerlaken im Hotelzimmer, Ausblick auf die Herbertstraße oder Dusche nur auf dem Gang?«, missverstand Lars sein Kopfschütteln als Antwort.
»Doch, alles klar. Sorry, war kurz in Gedanken. Hi erst mal!«, grinste Moritz jetzt und merkte trotzdem, wie er schon wieder rot wurde. »Hi. Das freut mich. Dann lass uns mal reingehen und uns den Massen stellen«, schlug Lars vor und ging voran in die Halle. Es war schon ordentlich was los. Andere MyTube-Creator unterhielten sich miteinander und mit den Fans und machten Fotos. Kaum, dass sie die Halle betreten hatten, war auch Moritz von Fans umringt, die ihn unbedingt kennenlernen und Fotos mit ihm machen wollten. Lars grinste und hielt sich ein Stück im Hintergrund, bis die Besucher auch ihn entdeckt hatten. In den nächsten Stunden hatten sie kaum Gelegenheit, miteinander zu sprechen.
***
»Wow, was für ein Tag!«, schnaufte Benedikt und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Wir haben sogar überzogen … Endlich Feierabend.«
»Sag mal, ist hier immer so viel los?«, wollte Moritz wissen und nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche. Er saß mit Ben, der die Veranstaltung ins Leben gerufen hatte, und Lars an der Bühne. Die anderen Helfer waren bereits gegangen.
»Nö, nur, wenn sich prominenter Besuch ankündigt!«, antwortete Ben jetzt grinsend. »Kaum, dass ich deine Zusage hatte, war online die Hölle los … Oder, Lars? Als du das erste Mal hier warst, war nicht halb so viel los.«
Lars schüttelte den Kopf. »Nicht mal annähernd. Du bist eben ein echter Teenie-Magnet!«
Ben lachte auf. »Oder Mädchenschwarm. Die waren dieses Mal doch eindeutig in der Überzahl!«
Moritz merkte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss, und grinste verlegen. »Danke für das Kompliment!«, lachte er und schämte sich doch. Bisher hatte er sich nie für einen Mädchenschwarm gehalten.
»Gerne. Sag mal, Moritz, wie lange bleibst du eigentlich noch?«, fragte Lars.
»Nur noch bis morgen. Ich bin noch mit Ben verabredet«, Moritz ruckte mit dem Kopf in Bens Richtung, »und dann fahr’ ich um 17 Uhr schon wieder nach Hause.«
Er sah, wie Lars‘ Lächeln ein wenig verblasste, und fand es selbst auch schade, dass sie sich nicht länger sehen würden. Er wäre gern noch geblieben und hätte Zeit mit Lars verbracht. Doch er hatte Verpflichtungen, musste er doch in die Uni, und sein MyTube-Kanal bespielte sich auch nicht von selbst.
»Ja, wir gehen auf so eine kleine Convention … keine Ahnung, ob sich das lohnt, aber mal sehen«, hakte Ben jetzt ein. Lars nickte.
»Na, dann ist eines ja wohl klar: Wir müssen heute Abend noch auf den Kiez gehen!«, erklärte Lars und hatte offensichtlich seine gute Laune und sein Selbstvertrauen schon wiedergefunden.
Moritz erstarrte. Auf den Kiez? Er war sich nicht sicher, ob das eine so gute Idee wäre. Höflich versuchte er, abzulehnen.
»Sorry, aber ich bin total müde …«, setzte er an.
»Ach, Unsinn. Stell dich nicht so an!«, erwiderte Lars.
»Nee, wirklich.«
»Na komm, du musst ja nix trinken! Aber du kannst auf der Heimfahrt noch genug schlafen!«, schlug sich jetzt auch Ben auf Lars‘ Seite.
Seufzend ergab Moritz sich seinem Schicksal. »Okay, okay!«, willigte er ein, dann folgte er den anderen in Richtung Reeperbahn.